30.06.2020

George Floyd in Berlin – Die Stimmen meiner Klienten

Unsere Beraterin, Cecilia Juretzka, hat drei ihrer Klient*innen dazu befragt, wie es ihnen ergeht, seit sie vom Tod von George Floyd und den Protesten in den USA erfahren haben und welche Erfahrungen sie selbst mit Rassismus in Deutschland gemacht haben. Alle drei sind schwarz und männlich, sie leben und arbeiten seit mehr als 6 Jahren in Berlin. Das haben sie dazu gesagt:

K. :

„Ich war sehr, sehr traurig. Ich habe die Bilder gesehen. Ich bin immer noch traurig und ich habe Angst. Ich wollte mir schon ein Schild an die Tasche heften und darauf schreiben: „Ich habe Angst, bitte nicht töten“. Wir haben immer wieder mit solchen Problemen zu tun, aber jetzt meide ich Situationen, in denen Menschen mich ansprechen könnten und wenn ich Polizisten sehe, dann gehe ich schneller. Ich möchte sehr gerne mehr darüber sprechen, was uns so häufig passiert.“

(K. ist schwarz, lebt seit 6 Jahren in Berlin und arbeitet als Altenpfleger und Pflegekraft im Krankenhaus)

B. :

„Es ist wirklich schlimm, was in den USA passiert ist. Selbst wenn George Floyd etwas Illegales getan haben sollte, dann kann man ihn dafür nach dem Gesetz bestrafen, aber man darf ihn doch nicht einfach umbringen und so behandeln, wie es geschehen ist. Hier in Berlin gibt es sehr unterschiedliche Menschen. Es gibt Menschen, die behandeln Dich normal. Aber es gibt auch andere, es gibt Rassismus, das ist klar. Manchmal schauen Dich die Leute an, als wünschten sie, dass Du augenblicklich vom Erdboden verschwindest, ihr Blick ist voller Verachtung. Sie schauen Dich nicht wie einen Menschen an. Und generell können wir Schwarze davon ausgehen, dass Weiße bevorzugt werden. Z.B. wenn ich eine Wohnung mieten möchte: wenn es 10 Bewerber gibt und nur eine weiße Person – Du kannst sicher sein, dass die Wohnung an die weiße Person vermietet wird, auch wenn alle anderen eigentlich bessere Voraussetzungen mitbringen. Angegriffen worden bin ich noch nicht, Freunde von mir aber schon. Einem Freund wurde vor kurzem aus heiterem Himmel im Bus ins Gesicht gespuckt. Es gab dann einen Streit und die Polizei kam. Sie haben gar nicht gefragt, wer was gemacht hat. Sofort wurde mein Freund beschuldigt und hat einen Strafbefehl bekommen, die andere Person nicht. Das erleben wir sehr oft, gerade bei der Polizei, da gibt es viele Vorurteile. Ich werde auch häufiger einfach so auf der Straße kontrolliert, obwohl ich nichts gemacht habe, dabei werde ich immer wieder unfreundlich behandelt. Ich sehe nie, dass weiße Personen kontrolliert werden. Ich könnte davon noch viel mehr erzählen, man muss auch darüber sprechen. Wir sind doch Menschen wie alle anderen auch. Wir haben Pflichten, z.B. Steuern zahlen, aber auch Rechte. Gerne würde ich mehr darüber sprechen, damit sich etwas ändert.“

(B. ist schwarz, lebt seit 7 Jahren in Deutschland und arbeitet u.a. im Reinigungsgewerbe und als Lagerist)

N. :

„Es ist schlimm, was in den USA passiert ist. Aber das passiert dort ständig, es kommt ja auch immer wieder vor, dass Schwarze erschossen werden. Zum Glück gibt es in Deutschland kaum Waffen, deshalb ist es nicht so gefährlich. Aber so etwas wie mit George Floyd ist mir auch in Deutschland schon passiert: ich kam von der Arbeit und wollte mich ein bisschen im Görlitzer Park mit Freunden entspannen. Mir kamen junge schwarze Männer entgegen gelaufen, die Polizei war hinter ihnen her. Ich habe mich umgedreht, um wegzugehen, weil ich wusste, dass ich als Schwarzer auch Probleme bekommen könnte und ich hatte wirklich keine Lust auf Stress. Mehrere Polizisten kamen von hinten und haben mich einfach auf den Boden geworfen, mein Gesicht hat sofort angefangen zu bluten. Sie haben mir Handschellen angelegt. Einer der Polizisten hat mir seinen Fuß in den Nacken gedrückt, so dass ich den Kopf nicht heben und nicht richtig atmen konnte. Es war genau wie bei George Floyd. Ich habe gesagt, dass mir das weh tut und ich nicht richtig atmen kann, aber er hat den Fuß nicht weggenommen. Ich habe Panik bekommen, aber ich konnte nichts tun. Ein weißer Mann ist gekommen und hat den Polizisten gesagt, dass sie mich atmen und gehen lassen sollen. Eine Polizistin hat ihn angeschrien, er solle abhauen, aber er ist nicht gegangen. Er hat angefangen, mit seinem Handy zu filmen. Dann erst hat der Polizist seinen Fuß von meinem Nacken genommen. Ich hatte solche Angst, dass ich denke, wenn der Mann nicht gewesen wäre, wäre ich vielleicht auch tot. Die Polizisten haben meinen Rucksack und mich durchsucht und gesehen, dass ich nur Sachen von der Arbeit dabei hatte, keine Drogen oder so etwas. Da haben sie mich dann aufstehen lassen und wurden auch freundlich, aber das vorher war richtig brutal.

Ein anderes Mal hat mir jemand eine Tür ins Gesicht geschlagen, die Polizei kam und obwohl ich nichts gemacht hatte, haben sie gar nichts gefragt, sondern mir sofort die Arme auf den Rücken gedreht. An jedem Arm haben mehrere Polizisten gerissen, es waren jeweils 3 oder 4, insgesamt waren sie zu acht. Und das obwohl ich mich gar nicht gewehrt hatte, das tue ich nie, denn ich weiß, dass das gar nichts bringt. Eine Schulter haben sie mir so verdreht, dass sie mir noch immer weh tut, wenn ich den Arm heben muss, obwohl das schon länger her ist. Diese Dinge passieren leider häufig. Ich verstehe, dass die Polizei ihre Arbeit machen muss, aber das ist völlig unnötige Brutalität.

In Berlin gibt es viele freundliche Menschen. Obwohl ich es bei meiner Arbeit immer wieder erlebe, dass die Leute mich erst unfreundlich und misstrauisch anschauen, wenn ich zu ihnen komme. Ich bin Handwerker und wenn meine Firma mich schickt, dann erwarten die Menschen, dass ein weißer Mann bei ihnen vor der Tür steht und finden es nicht gut, wenn sie mich sehen. Besonders häufig reagieren ältere Menschen so. Es passiert auch in Ostberlin häufiger als in Westberlin. Durch meine Arbeit komme ich in der ganzen Stadt herum. Aber ich bleibe immer ruhig und freundlich und konzentriere mich auf meine Arbeit. Sie sehen dann, dass ich meine Arbeit gut mache und werden viel freundlicher. Manchmal bekomme ich dann auch Sachen geschenkt, manchmal richtig gute Sachen, Kleidung oder Möbel zum Beispiel. Ich glaube sie denken, ich müsse ein armer Afrikaner sein, der das braucht. Es ist irgendwie schon diskriminierend, aber ich weiß, dass sie es gut meinen und deshalb freue ich mich trotzdem darüber.“

(N. ist schwarz, lebt seit 6 Jahren in Berlin und arbeitet als ausgebildeter Maler und Lackierer)

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