03.06.2020

Stimmen aus dem Ehrenamt – Gisela

Gisela „Ich habe eher den Wunsch mich zu belohnen“

Gisela engagiert sich aktiv bei weltweit – der Freiwilligengruppe von Asyl in der Kirche und unterstützt Geflüchtete beim Ankommen: Sie unterrichtet mit viel Freude und Engagement Deutsch in der Flüchtlingskirche.

Wie geht es Dir?

So lala. Die Einschränkungen sind spürbar.

Nutzt du zur Zeit viel den Laptop um Dich digital zu treffen?

Ja, das mache ich schon. Aber Videotelefonate oder Ähnliches sind kein richtiger Ersatz für persönliche Begegnungen, finde ich. Natürlich ist es besser sich digital als gar nicht zu sehen. Stell Dir mal vor, wir hätten diese ganzen technischen Möglichkeiten gar nicht! Das wäre auch nicht so prickelnd.

Was fehlt Dir? Nimmst Du den Menschen anders wahr als in der persönlichen Begegnung, ist körperliche Nähe wichtig?

Das ist schwer zu sagen. Ich glaube, es ist wahrscheinlich von allem etwas.

Du hattest in deiner letzten Mail geschrieben, dass Du an einem Webinar teilgenommen hast. Magst Du davon berichten? Was war das für ein Webinar? Und nimmst Du gerade öfters an Online-Veranstaltungen teil?

Ja, das ist im Moment die einzige Möglichkeit. Das Webinar war von dem Computer-Lern-Projekt BER-IT. Das ist ein sehr interessantes Frauenprojekt. Es hat zum Ziel, Computerkompetenzen von Frauen zu stärken. Das Projekt sitzt in Kreuzberg. Und da bin ich eigentlich Stammgast. Wenn die etwas anbieten, was mich interessiert, buche ich das. Und da es gerade nicht persönlich geht, bieten sie nun Webinare an.

Toll! Das heißt, du hast die Veranstaltungen vorher auch schon besucht, als diese noch vor Ort stattgefunden haben?

Ja, genau.

Was sind das für Themen?

Die ganze Bandbreite. Was brauchen Wiedereinsteigerinnen in den Beruf, was brauchen Frauen heute für IT-Kenntnisse im Beruf, aber natürlich nicht nur im Beruf, sondern auch in ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement usw. Sie bieten ein ziemlich breites Spektrum an, von persönlicher Beratung, Coaching über Workshops zu bestimmten Themen.

Das klingt super spannend! Wer nimmt teil?

Es ist eine ganz bunte Mischung – von der Hebamme, die ihre eigene Website erstellen will, aber nicht ganz genau weiß wie, bis zu Leuten, die z.B. bestimmte Online-Marketing-Kompetenzen verbessern wollen. Von Leuten, die eben in ihrem Beruf merken, sie brauchen jetzt mehr IT-Kenntnisse und eben auch ich.

Und hast Du noch Kontakt zu einigen Schülerinnen?

Kaum. Denn wir behandeln die Daten unser Schülerinnen sehr diskret. Das bedeutet, dass wir kaum Telefonnummern von den Menschen sammeln und wir können sie nun gar nicht oder nur zum Teil erreichen.

Die Hoffnung ist auch, vielleicht ein Online-Angebot für unsere Lehrerinnen aufzubauen. Aber ich denke, unterm Strich ist das nur eine Option für einige. Denn die Frage ist ja, sind die Voraussetzungen überhaupt vorhanden, kostenloses WLan, ein Laptop oder Tablet und eine ruhige Ecke, wo die Teilnahme klappen kann.

Ja, es ist gerade nicht so einfach, das finde ich auch.

Ich habe mir zum Beispiel auch ein YouTube-Video eines Lehrbuchverlags zum Thema Deutschunterricht von zu Hause angesehen. Es sollten Tipps sein, wie der Unterricht online stattfinden kann. Aber das geht völlig an dem vorbei, was wir tun können. Dort konnte man meinen, jede Sprachschule hat einen wunderbar eingerichteten IT-Bereich und dass dort lauter Lehrerinnen auch entsprechend gut Bescheid wissen. Es war wirklich nichts dabei, was ich für unsere Klientel gebrauchen könnte. An unserer sozialen Realität geht das vorbei.

Ich schaue nun gerade systematisch Sprachlern-Apps durch und zwar mit dem Handy. Ich möchte herausfinden, ob etwas dabei ist, was dann auch für unsere Zwecke nützlich ist. Gute Lern-Apps könnten wir auch zu späteren Zeiten den Teilnehmer*innen empfehlen, nicht nur jetzt während der Einschränkungen. Die Recherche wäre nicht umsonst gemacht. Aber aktuell nützt das nicht viel.

Habe ich Dich richtig verstanden: In deinen Augen kann eine App später als Lernergänzung zum normalen Sprachunterricht nützlich sein, aber nicht jetzt als Ersatz funktionieren?

Ich vermute es. Aber da gerade unklar, wie und wann es weitergehen kann, ist es gut jetzt zu recherchieren.

Hast Du schon Apps entdeckt, von denen Du denkst, dass sie gut sein könnten?

Ich sammele gerade erstmal, Apps von Volkshochschulen bis Deutsche Welle. Also von Institutionen, die mit Sprachunterricht zu haben. Ja, das auszuwerten ist eine Aufgabe für ein langes Wochenende (Gisela lacht).

Es klingt auf jeden Fall nach einer großen Aufgabe, viel Erfolg! Und wenn Du gerade keinen App-Store durchforstest: Bist Du eine von denen, die gerade mehr aufräumen oder mehr lesen?

Nein, ich habe nicht viel aufgeräumt. Ich könnte natürlich meine Steuer mal machen und solche Dinge. Aber ich denke, es ist sowieso alles schon doof. Ich habe eher den Wunsch mich zu belohnen und darauf zu achten, dass ich mich nicht noch mit Aufgaben wie den Steuersachen „bestrafe“. Soll ich wirklich die Vorhänge im Wohnzimmer abnehmen und waschen? Und wer bügelt dann diese ganzen Meter? Ich tue das wirklich nicht gern (Gisela lacht).

Viele genießen nun auch mehr, backen und essen zum Beispiel mehr Kuchen. Du gehörst also eher zu dieser Gruppe?

Ja, natürlich. Das meinte ich mit dem Wunsch sich zu belohnen. Ich koche mehr und – ach, es gibt hier um die Ecke eine japanische Konditorei. Verrückt, oder? Die machen nach französischen Rezepten Kuchen mit japanischer Ästhetik. Jedes Teil ist wirklich ein Kunstwerk. Und die haben geöffnet (Gisela lacht).

Natürlich gibt es auch dort nur Außer-Haus-Verkauf. Und natürlich ist der Kuchen teurer, als wenn ich zu einer Backkette gehen würde. Aber sich ab und zu solche Sachen gönnen zu können, tut gut. Ich denke dann, wenn die Sonne scheint: „Ach, heute ist das Wetter schön. Du könntest Dich mit einem leckeren Stück Kuchen auf den Balkon setzen“ (Gisela lacht).

Guten Appetit!

Interview: Rieke Lassen, Projektkoordinatorin „Stark im Ehrenamt“ (Flüchtlingskirche)

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